Ich werde versuchen, jetzt immer mal wieder über meine Erfahrungen hier in der Klinik zu berichten, so könnt ihr auch daran teilhaben und vielleicht etwas Hilfreiches für euch rausziehen.
Jeder der Therapie macht oder gemacht hat, weiß, dass es harte innere Arbeit ist, sich seinen Problemen zu stellen. Dies ist ein gängiger Satz, den man immer wieder hört oder liest. Doch was verbirgt sich eigentlich hinter dem Begriff „harte innere Arbeit“?
Besonders, wenn man gerade am Anfang einer Therapie steht, kann diese Aussage Angst machen, aber auch während der Therapie wird man immer wieder mit seiner Angst konfrontiert.
Sobald man innerlich auf etwas stößt, von dem man sich am liebsten sofort abwenden möchte, setzt die Angst vor den Gefühlen ein, die dabei aufbrechen könnten. Wenn man aber etwas Tiefgreifendes verändern will, wird man sich seiner Angst stellen und sie überwinden müssen, was jedes Mal eine neue Herausforderung bedeutet und eine Menge an Kraft erfordert. Eigentlich könnte man davon ausgehen, dass es von Mal zu Mal leichter werden wird, sich seiner Angst zu stellen, da man ja an Erfahrung gewinnt. Umso größer ist dann die Enttäuschung, wenn man feststellt, das nichts leichter wird, was wiederum eine enorme Entmutigung auslösen kann.
Das liegt mitunter daran, weil jedes Problem seine ganzeigene Angst mit sich bringt. Zudem bestehen viele unserer Probleme bereits über Jahre, wenn nicht gar über Jahrzehnte hinweg. Da wird die Angst vor ihnen nicht innerhalb einiger Wochen oder Monate verschwinden. Und es ist ganz natürlich vor etwas Angst zu haben, dass für uns gefährlich werden könnte. Ich finde es wichtig, sich das immer wieder vor Augen zu führen. Die Angst will uns schützen. Doch ihr Schutz ist an manchen Stellen nicht mehr hilfreich für uns, sondern hält uns von einer wichtigen Entwicklung ab. Nämlich der, problematische Verhaltensweisen, die uns das Leben schwer machen, zu verändern.
Ich habe hier in den Gruppen der Klinik eine wirklich sehr interessante Feststellung gemacht, was diese beschriebene Angst betrifft. Alle meine Mitstreiter haben sie und sie äußerst sich tatsächlich bei jedem auf ähnliche Weise. Davon möchte ich euch heute berichten, um euch und auch mir selbst Mut zu machen, diese Angst zu überwinden. Sie ist völlig normal und ein Teil des Entwicklungsprozesses.
Aus der Angst heraus kann der Impuls entstehen, eine Therapie abzubrechen, alles hinzuschmeißen und sich wieder auf seinen gewohnten/vertrauten Weg zu begeben, obwohl wir wissen, dass er nicht gut für uns ist.
Sobald man sich auf die Therapie eingelassen hat, beginnt sie in einen zu arbeiten. Das geschieht zum großen Teil unbewusst. Das heißt, es setzt ein Prozess ein, dessen Wirkung wir erst mal noch gar nicht spüren. Um es besser verständlich zu machen: Stellt euch vor, ihr nehmt ein Medikament gegen Kopfschmerzen ein. Der Wirkstoff gerät in unsere Blutbahn, wovon wir aber noch nichts zu merken. Es dauert eine gewisse Zeit, bis er das tut, was er tun soll, nämlich den Schmerz nehmen.
Bei einer Therapie sind die Gespräche quasi die Medikamente für die schmerzende Seele. Und wenn die Gespräche beginnen zu wirken, passiert mitunter Folgendes:
Innerlich beginnt sich etwas zu lösen oder aufzubrechen, was wir als Emotionen spüren. Es kann passieren, dass diese Emotionen uns völlig überrollen, wir nicht mehr wissen, was wir tun sollen, weil der Schmerz einfach zu stark ist. Was geschieht dann? Wir bekommen Angst, werden unsicher, erkennen uns selbst vielleicht nicht wieder, weil wir plötzlich ständig zu weinen beginnen, uns hilflos fühlen, schwach, wie ein Versager, wie ein Kind … Das hängt davon ab, was da in uns aufbricht.
Aber auf unsere schützenden Verhaltensmuster ist ja Verlass. Sie werden alles tun, damit wir dem Problem nicht weiter nachgehen. Sehr beliebte Sätze dabei sind: „Ich kann das nicht“; „Ich halte das nicht aus“; „Das wird mir alles zu viel“; „Ich schaffe das niemals“; „Das hat doch alles keinen Zweck“; „Ich werde mein Verhalten niemals ändern können“; „So stark bin ich nicht“… (Mit diesen Sätzen könnte ich ein ganzes Buch füllen.)
Manchmal ist es auch tatsächlich so, dass wir noch nicht bereit sind, uns manchen Dingen zu stellen. Dann ist die Zeit dafür noch nicht gekommen. Darum muss man ehrlich in sich hineinhorchen. Die Seele weiß genau, was sie sich zumuten kann und was nicht.
Wenn wir innerlich wissen, dass es notwendig ist, sich einem bestimmten Problem zu stellen, damit wir wieder neue Lebensqualität gewinnen, wir aber das Gefühl haben, es einfach nicht zu schaffen, ist es die Angst, die uns abhält. Denn wenn wirklich zu viel für unsere Seele wäre, hätten wir gar nicht das Gefühl, uns diesem Thema stellen zu müssen. Dann würde unsere Seele uns ein Signal geben wie: Ja, wir müssen uns diesem Problem widmen, aber noch nicht jetzt.
Ich versuche meine Angst damit in den Griff zu bekommen, indem ich mir sage, manche Dinge müssen einfach sein, ob ich will oder nicht. Eine Schwangere, die Angst vor der Geburt hat, kann auch nicht sagen, ich behalte mein Baby im Bauch. Oder wenn man Zahnschmerzen hat, dann muss man zum Zahnarzt. Natürlich kann ich das auch aussitzen, muss dann aber mit den Schmerzen und einem verfaulten Zahn klarkommen.
Außerdem führe ich mir vor Augen, wie großartig es sich anfühlt, wenn man für etwas gekämpft und es trotz aller Erwartungen geschafft hat. Meine Motivation ist mein Leitspruch: Wer für das Gute kämpft, kann nur gewinnen. Man wird nie wissen, wie lange ein Kampf dauert, aber solange man stets am Guten festhält, wird auch alles gut werden. Davon bin ich überzeugt.
Sich Emotionen bzw. Gefühlen zu stellen, die man so sehr fürchtet, ist ein riesiger Kraftakt und verlangt einem mitunter wirklich alles ab. Aus Erfahrung kann ich aber sagen, dass man jedes Mal an neuer Stärke gewinnt. Irgendwann werden wir dann so stark sein, dass wir vielleicht sogar die Angst vor der Angst verlieren.
Ich wünsche euch ein schönes Wochenende. Meins wird morgen damit beginnen, mich meiner Angst zu stellen, um zwei emotional sehr schwierige Therapieaufgaben zu erarbeiten.
Alles Liebe und Gute für euch 🌸
Petra von SeelenSternHimmel ⭐️